Digitalisierung für Städte und Gemeinden ist bereits ein Thema, wie sieht es aber mit der digitalen Sichtbarkeit aus?
Analoge Sichtbarkeit mit digitalen Hilfsmitteln ist zur Kommunikation von Veranstaltungen und Aktionen im Stadtmarketing unverzichtbar. Deshalb beschäftigen immer mehr Städte und Gemeinden damit, die Kommunikation mit Bürgern und Touristen zu digitalisieren.

Aktuell haben die Städte und Gemeinden viele Möglichkeiten mit den Bürgern aber auch Touristen zu kommunizieren / interagieren. Sei es über mobilfähige Homepage, Apps, oder auch mit einem Online-Magazin wie „Region im Blick“, die von immer mehr Städten und Gemeinden genutzt werden, um sich weit über die Grenzen hinaus sichtbar zu machen.
Aber auch die Kommunikation über digitale Informationspunkte innerhalb des Verwaltungsbezirks werden zunehmend ein interessantes Thema für Städte und Gemeinden.
Die digitale Kommunikation über Groß-Displays auf öffentlichen Plätzen oder gut frequentierten Orten wird immer stärker nachgefragt. Denn analoge Plakate haben den entscheidenden Nachteil, dass die dafür genutzte Fläche nur einmal zur Verfügung steht. Digitale Groß-LED-Displays an gut frequentierten Stellen erlauben die parallele Bewerbung mehrerer Veranstaltungen und Aktion und zeigen zudem die Innovationsfähigkeit des Stadt- und Destinationsmarketings.
Dieser Trend wird sich fortsetzten, deshalb ist es richtig, dass Städte und Gemeinden über solche Schritte nachdenken. Somit kann die Verwaltung die Kommunikation mit den Bürgern und Touristen sinnvoll und hilfreich gestalten. Zusätzlich könnte man durch die Einbindung der lokalen Wirtschaft in einem Public Private Partnership Modell ein Zugewinn für dieInfrastruktur generieren.
Genau zu diesem Thema bot die IHK Südlicher Oberrhein Mitte September 2023 einen Austausch von Standortverantwortlichen der Region unter der Überschrift „Erlebnis Innenstadt“ bei der Firma Viavisual GmbH in Teningen an.
Bei dieser Gelegenheit haben wir mit Thomas Kaiser - Referent Handel und Innenstadtberater – der IHK Südlicher Oberrhein, sowie mit Frau Petra Mörder (Wirtschaftsförderin bei Stadt Emmendingen) und Michiel Hettinga (Firma Viavisual), geführt.

Thomas Kaiser - Referent Handel und Innenstadtberater – der IHK Südlicher Oberrhein
Herr Kaiser Sie sind bei der IHK Südlicher Oberrhein Innenstadtberater. Würden Sie unseren Lesern erklären, was ein Innenstadtberater macht, welche Aufgaben und Ziele er verfolgt.
Thomas Kaiser: Sie gehen mit der Innenstadtberatung in die zweite Runde, das Land Baden-Württemberg hat Ende 2022 die Projektförderung bis Ende 2024 verlängert. In Summe werden dann 19 Städte in der Region von mit begleitet, mit dem Ziel deren Innenstädte zu revitalisieren. Ich analysiere durch Passantenbefragungen, Frequnezmessungen und vielen Interviews vor Ort. Darauf basiert dann ein Bündel von Maßnahmen.
Was für Erfahrungen haben Sie bisher gesammelt und profitieren die Städte und Gemeinde davon?
Thomas Kaiser: Allein schon, dass das Thema Innnestadt eine gewisse Zeit in den Fokus gerückt wird, ist es schon Wert sich dem Projekt anzuschließen. Mit IHK Standardprodukten wie einem Stadtspaziergang, einer Schaufensterberatung oder auch Workshops zum Thema Digitale Sichtbarkeit hat die Innenstadtgemeinschaft und jeder einzelne Betrieb immer schon mal einen Mehrwert. Wenn es dann noch gelingt, Leerstände zu beseitigen oder Innenstadtmarketing organisatorisch und dauerhaft in der Stadt zu verankern, ist schon viel gewonnen. Hilfreich sind dabei auch weitere Fördertöpfe des Landes wie die Veranstaltungsförderung, die PopUp Store-Förderung oder auch die neue Förderung von Stadtmarketingmaßnahmen. Mit letzterem wären solche Groß-LED Displays eingebunden in eine Marketingkonzeption denkbar und bezahlbar. Und hier kann ich als Innenstadtberater unterstützen und Wege aufzeichnen.

Petra Mörder Wirtschaftsförderin bei Stadt Emmendingen
Welche Rolle spielen im Strategieprozess andere vorhandene Stadtentwicklungsstrategien?
Petra Mörder: Die große Herausforderung für Kommunen ist es heutzutage, alle Ziele und Strategien zusammenzuführen: Nehmen wir als Beispiel die Klimaanpassung – ein großes Thema. Mit welchen Maßnahmen reagieren Städte auf den Klimawandel? Gleichzeitig wollen wir aber den Handel und das Gewerbe fördern und die Digitalisierung vorantreiben. Nicht immer passen alle Bedarfe zusammen, sondern befinden sich oft auch in Konkurrenz zueinander. Die Stadt Emmendingen hat deshalb schon 2020 ein umfangreiches Stadtentwicklungskonzept mit intensiver Bürgerbeteiligung im Stadtrat verabschiedet. Dort werden Stadtplanung, Klimaanpassung und Stadtmarketing gemeinsam gesehen. Im Moment befinden wir uns mitten im Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innstädte und Zentren“, das bis 2025 Kommunen dabei unterstützt, ihre Innenstädte fit für die Zukunft zu machen. Jetzt setzen wir also um, was im Stadtentwicklungskonzept festgeschrieben wurde.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzt dabei die Stadt Emmendingen?
Petra Mörder: Unserer Meinung nach muss Emmendingen zukunftsfit gemacht werden: Städte befinden sich gerade in einem Wandlungsprozess. Die Herausforderungen Online-Handel, Klimaanpassung, fehlender Wohnraum, alternative Mobilitätskonzepte und Digitalisierung müssen alle unter einen Hut gebracht werden. Deshalb setzen wir auf ganzheitliche Konzepte, die eine enge Zusammenarbeit aller Akteure erfordern. Aber warum sollen z.B. nicht digitale Konzepte in der Innenstadt zeitgleich auch Aufenthaltsqualität für Bürgerinnen und Bürger schaffen und dabei noch mit Maßnahmen zur Begrünung und Bewässerung einhergehen?
Ein Beispiel: Vor unserer Stadtbibliothek gibt es seit 2020 ein Wasserspiel, um die Aufenthaltsqualität für Familien, vor allem in den heißen Sommermonaten, zu erhöhen. Zeitgleich befeuchtet das Wasserspiel die umgebende Luft und trägt so zu einer geringeren Temperatur für alle bei – eine Klimaanpassungsmaßnahme. Die Steuerung des Wassers aber ist digital: Und wir haben eine technische Lösung integriert, die eine Zeitsteuerung beinhaltet und die das Wasser so aufbereitet, dass es wieder verwendet werden kann - damit wirken wir auch unnötiger Wasserverschwendung entgegen.
Gibt es Fördergelder für Kommunen, um die Digitalisierung voranzutreiben?
Petra Mörder: Es gibt immer mal wieder Fördertöpfe für Kommunen, Baden-Württemberg setzt dabei auf ihre Digitalstrategie. Als erstes großes Thema sehe ich aber den Breitbandausbau, der auch vom Land gefördert wird. Denn ohne flächendeckendes, schnelles Internet, egal ob für Unternehmen oder Privatpersonen, macht Digitalisierung wenig Sinn. Andere Länder sind da schon viel weiter als wir hier in Deutschland – das wird übrigens auch standortentscheidend für zukünftige Unternehmensansiedlungen sein.
Wie wichtig ist digitales Stadtmarketing für die Zukunft des Handels und die Zukunft der Städte?
Petra Mörder: Wichtig. Ob es aber ausschlaggebend sein wird, wird sich zeigen. Die Stadt Emmendingen hat z.B. schon 2020 zwei digitale Informationsstelen angeschafft – eine vor dem Rathaus und eine vor der Tourist-Information, die aktuelle Infos passend zur Zielgruppe ausspielen. Auch zwei große digitale Bildschirme an der Infotheke im Rathaus informieren die Bürger. Und wir setzen schon länger auf unsere City App und die sozialen Medien, wenn es darum geht, die Bürger zu erreichen.
Digitale Angebote werden auch für das Tourismusmarketing immer wichtiger, egal ob Audioguide oder digital erlebbare Stadtrundgänge.
Wie groß schätzen Sie das Veränderungspotenzial der Digitalisierung ein?
Petra Mörder: Die Digitalisierung bietet für die Wirtschaft und die Verwaltungen im Moment das größte Veränderungspotential, stellt aber auch beide Bereiche vor enorme Herausforderungen.

Michiel Hettinga (Firma Viavisual)
Welche Arten von Informationen oder Botschaften werden typischerweise auf digitalen Displays in Städten und Gemeinden angezeigt?
Michiel Hettinga : Typischerweise geht es um die Übermittlung von aktuellen Veranstaltungen und anderen Aktivitäten, die in den Städten angeboten werden. Da es ein sehr großes Angebot gibt, kommt es darauf an die Informationen zeitnah und attraktiv zu vermitteln. Im klassischen Plakatform kann schnell eine Überfüllung der öffentlichen Räume auftreten wo der Passant konfrontiert wird mit einer Flut an (teilweise veralteten) Plakaten. Zusätzlich können aber auch andere Effekte erreicht werden, wie zum Beispiel Hinweise auf vorhandene ‚permanente‘ Infrastrukturen wie zum Beispiel Museen, Angebote aus dem lokalen Mittelstand, Straßensperrungen, Bürgerbefragungen etc.
Welche technologischen Herausforderungen sind mit der Installation und Wartung solcher Displays verbunden?
Michiel Hettinga : Die heutige (LED) Displaytechnologie ist mittlerweile vollkommen ausgereift und extrem robust. Typischerweise liefern wir diese Displays inklusive eines komplett vor Ort Service und Garantie an, sodass eventuelle Einsätze schnell durch unsere Techniker durchgeführt werden können. Die Anlagen generieren selbst Informationen über Ihren technischen Zustand sodass wir manchmal bereits vor Ort eingreifen können bevor Fehler am Display sichtbar werden.
Welche Vorteile bietet die Nutzung digitaler Displays im Vergleich zu herkömmlichen Werbetafeln oder Schildern?
Michiel Hettinga : Mit digitalen Displays ist man immer aktuell und veraltete Informationen können komplett vermieden werden. Botschaften können deutlicher und einprägsamer kommuniziert werden, kommen besser an und erinnern besser. An manchen Standorten kann sogar eine gewisse Interaktivität geboten werden, zum Beispiel durch eine Ansteuerung über Bewegung oder Handy. Der öffentliche Raum kann aufgeräumter und angenehmer gestaltet werden durch den Ersatz von mehreren herkömmlichen Schildern durch ein digitales Display.

Wie werden Datenschutz- und Sicherheitsfragen in Bezug auf digitale Displays in öffentlichen Bereichen gehandhabt?
Michiel Hettinga : Datenschutz ist zu Recht ein großes Thema. Wir bieten den Städten und Kommunen an, Ihre Kommunikation zu den Displays entweder über eigene Kanäle laufen zu lassen oder über unsere gesicherten Server. Die Kommunikation zu den Displays läuft über sichere, verschlüsselte Datazuleitungen, sodass ein unerlaubter Zugriff zu den Displays ausgeschlossen werden kann.
Gibt es Beispiele für innovative Projekte, bei denen digitale Displays erfolgreich in städtische Planung und Kommunikation integriert wurden?
Michiel Hettinga: Da gibt es viele interessante Projekte, aber gerne kann ich ein Projekt aus den Niederlanden erwähnen. Eine Kommune wollte Ihr Graffiti-Problem reduzieren und hat an einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche ein digitales Display und einen Container mit Rechner aufgestellt. Jeder konnte seine Kunstwerke digital erstellen am PC und diese wurden auf dem Display dann als digitale Kunstwerke publiziert. Die Akzeptanz war dermaßen überzeugend, dass ein deutlicher Rückgang in den illegalen ‚Tags‘ spürbar war und die Gebäudereinigungskosten zurückgegangen sind.
Welche Zukunftstrends sehen Sie in Bezug auf die Verwendung digitaler Displays in Städten und Gemeinden?
Michiel Hettinga : Die LED-Technologie wird immer besser sodass nun auch relativ kleine Outdoor Displays mit einer bestechenden Bildqualität lieferbar sind. Somit werden auch kleinere Flächen wie das klassische Format für Informationstafeln an Bushaltestellen digitalisierbar. Wo digitale Displays früher immer Großformat gebraucht haben, sind nun auch deutlich kleinere Flächen vorstellbar die wesentlich schöner in das Stadtbild einzupassen sind möglich geworden. Eine weitere Entwicklung sind die sogenannten Glas LED Displays – dies sind Glasscheiben aus Acrylat die vorderseitig mit einer sehr dünnen, transparenten Schicht aus LEDs bestückt sind. Diese Acrylat Scheiben können maßgeschneidert an den Abmessungen von vorhandenen Glasscheiben angepasst werden und in den Innenseiten der Fensterrahmen angebracht werden. Wenn man von der Innenseite durch diese Scheiben schaut, hat man einen freien Blick nach draußen, jedoch von der Außenseite betrachtet sind diese Glas LED echte Tageslichtfähige Displays. Somit kann man komplette Gebäude frei bespielen und als Informationszentrum benutzen – ein echter Hingucker!

Wie wird die Energieeffizienz von digitalen Displays in Bezug auf Umweltauswirkungen berücksichtigt?
Michiel Hettinga : Digitale Displays sind bereits sehr Energieeffizient und ‚grüner‘ wie viele Leute denken. Ein modernes LED Outdoor Display von 55‘‘ verbraucht im 24 Stunden Rhythmus im Schnitt bereits deutlich unter 100W. Durch die Digitalisierung fallen viele umweltbelastende Arbeitsschritte (wie z.B. das Drucken in Vollfarb-Hochglanz Poster und das Ausfahren von neuen Postern an mehrere Stellen) komplett weg. Da die LED-Displays eine technische Lebensdauer von etwa 15 Jahren haben ist die Umweltbilanz dieser Displays recht positiv im Vergleich mit alternativen Anzeige-Lösungen.