Skip to main content
Nachrichten aus Baden für Baden - Für Sie in der Region unterwegs

Kundschaft in der Herbolzheimer Tafel wird mehr und mehr - Trend bei anderen Tafeln gleich

Fischdosen und Schokolade sind Luxusartikel und bei Kunden heiß begehrt

Für manche Kinder waren die Fasnachtsumzüge oder Kinderfasnets-Veranstaltungen der letzten Tage vielleicht eine gute Möglichkeit, die eine oder andere Nascherei zu erhaschen. 

Tafel: Schlangestehen ist hier inbegriffen.

Süßigkeiten, die von den Umzugsteilnehmern in Form von Gummibärchen, Bonbons, Popcorn oder Schokolade verteilt wurde. Ganz umsonst, einfach so und dann auch noch so lecker und in größeren Mengen. Man musste eigentlich nur recht weit vorne im Geschehen stehen, um die Leckereien einsammeln zu können. Was für manche Kinder schlichtweg eine Art Sammelhobby ist, weil zu Hause Schokolade, Kaugummi, Kaubonbon und Co. sowieso in der Schublade liegen, ist für das eine oder andere Kind eine Luxus-Variante. Warum? Ich spreche hier auf die vielen Menschen an, große und kleine, alte und junge, die schlichtweg zu wenig Geld zum Einkaufen haben und die eine vom Amt ausgestellte Berechtigung haben, um beispielsweise in den Tafel-Läden einkaufen gehen zu können.

Ob diese Berechtigungen auch tatsächlich „gerecht“ sind, bleibt dem Amt überlassen. Aber bei zahlreichen Gesprächen kristallisiert sich heraus, manche ältere Mitbürger die es aufgrund einer Mini-Rente bitter nötig hätten, in der Tafel einzukaufen, schämen sich aufs Amt zu gehen und gehen somit leer aus. Der Vorteil hier von ländlichen Strukturen – oft gibt es unkonventionelle Hilfe der Nachbarn, Freunde, Familie – weil man sich eben kennt. Je städtischer, desto anonymer und da fallen solche Leutchen aus dem Raster, während andere vielleicht davon profitieren, weil es das Gesetz so will.

Die Tafel in Herbolzheim als Beispiel

Nehmen wir mal heute als Beispiel den Tafel-Laden in Herbolzheim. Warum? Nun, weil dieser gerade erst wieder geöffnet hat, nachdem dort unfassbar schlimmer Vandalismus betrieben wurde. Die Täter – weiß man nicht – der Schaden immens – wochenlang war geschlossen.

Ende November hatten bislang unbekannte Täter die Räume der Herbolzheimer Tafel komplett verwüstet. Die sinnlose Zerstörung der Räume haben fassungslos gemacht. Das Wasser hatte so viel Schaden angerichtet, dass das Gebäude getrocknet und saniert werden musste. Unmengen an Lebensmitteln, die im Wasser lagen oder in den abgetauten Kühlschränken mussten in Kahlenberg entsorgt werden. Neue Spuren auf die Täter gibt es keine.

Damit die Tafel in Herbolzheim künftig von solchen Vandalismus-Übergriffen verschont bleibt, hat der Vorstand beschlossen, ein umfangreiches Sicherheitssystem mit Kameras, vergitterten Fenstern und Türen zu installieren. Es sei traurig, dass ein Tafelladen aufgrund derartiger Vorkommnisse gezwungen sei, solche Schritte unternehmen zu müssen. Das Anspruchsdenken nimmt leider zu, so blieb das Team auch leider nicht von Äußerungen an der Eingangstür, während saniert wurde, „unmöglich, wenn Sie uns nicht mehr versorgen“, verschont.

Tafelladen Herbolzheim: Nicht ganz so präsent in der Innenstadt, sondern im Gewerbegebiet – der Herbolzheimer Tafelladen

Rund 2.000 Einzelberechtigte

Rund 2.000 Einzelberechtigte haben mit der Tafel ihre Anlaufstelle für den Einkauf, Tendenz steigend, sagen Eva Christoph, die den Tafelladen in Herbolzheim leitet und Vorsitzender Christoph Bilic. Eva Christoph hat sich für bessere Abläufe auch neue Verbesserungen einfallen lassen, die jetzt im Team umgesetzt werden. Es gibt kleine Einkaufswagen, maximal – wie schon zu Coronazeiten - fünf Personen sind zeitlich im Tafelladen. Die Rationierung der Ware, zu der die Tafelläden seit geraumer Zeit gezwungen sind, soll noch transparenter gemacht werden. Seit April 2022 habe sich die Anzahl der Kunden verdoppelt, ergänzt Bilic. Jetzt werden Piktogrammen über den Waren den tatsächlichen Warenbestand anzeigen. Und verdeutlicht wird zudem, wie viel Pakete Nudeln, Mehl oder Reis pro Person der Haushalt eingekauft werden dürfen. Das Geld werde knapper, der Winter sei noch nicht vorbei, die Waren müssen rationiert werden, damit sie ausreichend sind, so Eva Christoph. „Wir müssen und wollen alle Kunden gleich versorgen.“

Zwischen drei und sieben Euro je Einkauf bezahlen die Kundinnen und Kunden bei ihren im Durchschnitt ein bis zwei Einkäufen in der Woche. Einheitlich die Preise, egal von welcher Firma beispielsweise die Nudeln - ob no-name oder Markenprodukte - stammen. Und alles nur mit etwa 20 Prozent vom eigentlichen Ladenpreis ausgezeichnet. Etwa 20 Nationen kaufen hier ein, Probleme mit den Sprachen und Kulturen sind dabei gegeben. Eva Christoph und ihr Team von insgesamt 80 Personen für Herbolzheim und Endingen, davon 15 bis 20 im täglichen Einsatz, wissen, dass ihnen keine einfachen Zeiten bevorstehen. „Aber durch den Vandalismus sind wir bei der Bevölkerung besser in den Fokus gerückt, das Entsetzen war groß, aber auch die Hilfsbereitschaft.“

Oft gebe es auch Probleme, weil die zum Einkauf Berechtigten das System der Tafel nicht kennen. „Manche denken, wir sind ein Supermarkt und da kann man ganz normal einkaufen, soviel man will“, so Eva Christoph und um das zu erklären braucht es das Smartphone und den Übersetzer. 

Christoph Bilic: Seit April habe sich die Anzahl der Kunden verdoppelt so der Vorsitzende Christoph Bilic.

Manche Kunden waren über lange Zeit nicht mehr in der Tafel einkaufen, müssen jetzt aber aufgrund der gestiegenen Energiekosten und Preise wieder zur Tafel zurück. Täglich werden etwa 30 Geschäfte von den zwei Tafel-Fahrzeugen angefahren, um dort Waren abzuholen, als einer der vielen Beispiele das Unternehmen Edeka Rees. Für die Supermärkte und Discounter eine Abfallentsorgungs-Ersparnis, für die Tafel ein Segen. Aktuell, so Bilic, versucht man in Ettenheim einen Raum zu finden, um auch hier einmal in der Woche einen Tafelladen, analog Endingen, anbieten zu können. Und auch aus der Bevölkerung kommen immer mehr Menschen, die Lebensmittel vorbeibringen. Wer den Beleg des Einkaufs mitbringt, kann auch eine Spendenbescheinigung erhalten. „Die Ware ist uns ganz lieb, denn laut Statuten dürfen Geldspenden nicht für Lebensmittel verwendet werden“, so Bilic. Da ist das Team froh über die „Hilfemacher e.V.“, ein unbürokratischer Verein, der ein Budget zur Verfügung stellt und dann darf gemeinsam beim Großmarkt das eingekauft werden, was auch am meisten fehlt. Dass sie zur Wiedereröffnung einen ganzen Warenbestand beschaffen konnte, sei maßgeblich auch durch die Unterstützung der „Hilfemacher“ möglich, sagt Eva Christoph.

Eva Christoph: Hier wird noch kurz vor Eröffnung er Tafel wieder alles in den Regalen von Eva Christoph und ihrem Team eingeräumt.

Luxusartikel: Fischkonserven oder Schokolade
Während die Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Tomatenmark, Gemüsebrühe oder Reis hoch im Kurs bei den Kunden stehen, gibt es auch Luxusartikel, wie Schokolade oder Fischkonserven, die heiß begehrt sind. Um in der Tafel einkaufen zu können, werden auch lange Wartezeiten in der Schlange in Kauf genommen. Da kam es im Sommer schon vor, dass bei weit über 30 Grad draußen vor der Tür Wasser verteilt wurde und die Leute nach einer Stunde Wartezeit heimgeschickt wurden. Nicht jeder schätzt die Arbeit der Tafel, oft muss sich das Team um Eva Christoph Schimpftiraden anhören. Manch einer fühlt sich ungleich behandelt – vor allem dann, wenn Berechtigte mit einem dicken Auto vorfahren. Für Kriegsflüchtlinge gibt es eine Überbrückungszeit, bis Einkommensnachweise beim Amt vorgelegt werden müssen, bis dahin sind sie einkaufsberechtigt.

Deutschland: 265.000 Tonnen Lebensmittel werden gerettet

Übrigens, über 960 Tafeln gibt es in Deutschland mit der Mission: Lebensmittel retten und armutsbetroffenen Menschen helfen. Die Tafeln retten Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können und geben sie an Menschen in Armut weiter, die sich eine ausgewogene Ernährung nicht leisten können.

Mit 60.000 Helferinnen und Helfern sind die Tafeln eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland. Pro Jahr retten sie rund 265.000 Tonnen Lebensmittel und geben sie an etwa zwei Millionen Menschen weiter. Organisiert sind die Tafeln im Dachverband Tafel Deutschland e.V.

Fazit: Etwas bewusster mit Lebensmitteln umgehen, vielleicht hier und da mal die Tafel unterstützen, vielleicht sich ehrenamtlich einbringen, so sollte das Ziel sein – jeder kann bei sich und im Kleinen anfangen.

Weitere Infos zu den "Hilfemachern" und wie man den Verein unterstützen kann, gibt es unter www.diehilfemacher.de, zur Tafel unter www.tafel.de

Text und Fotos für Region im Blick: Heike Scheiding

Auch interessant:

Anzeige

Anzeige