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Nachrichten aus Region meets Business

Entscheidungsjahr 2025: Die Stunde der Transformation im Nordschwarzwald

Warum jetzt gehandelt werden muss – Professor Kölmel über Lösungen für Unternehmen und die Region

Der tiefgreifende Strukturwandel im Nordschwarzwald und seine Folgen sind nicht mehr zu übersehen: Wachsende Zahl der Kurzarbeit sowie erste Entlassungen. Transformation in der Automobilindustrie, Digitalisierung und der Bedarf an nachhaltigen Geschäftsmodellen verlangen entschlossenes Handeln, erklärt Professor Dr. Bernhard Kölmel, Vorsitzender des Transformationsbeirats im Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald.

Professor Dr. Bernhard Kölmel

Gerd Lache

Mit Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik begleitet das Gremium kostenfrei regionale Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft. Nach der jüngsten Sitzung des Transformationsbeirats bei fischertechnik als Gastgeber in Waldachtal sprachen wir mit Professor Kölmel – auch über seine Vision für die Region Nordschwarzwald.

Frage: Herr Professor Kölmel, welche Aufgaben hat der Transformationsbeirat Nordschwarzwald?

Antwort: Der Transformationsbeirat ist ein zentrales Beratungsgremium im Transformationsnetzwerk TraFoNetz Nordschwarzwald. Er unterstützt Unternehmen in der Region dabei, ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern. Seine Hauptaufgaben umfassen dabei die Unterstützung der TraFoNetz-Projektpartner sowie des TraFoNetz-Teams. Es geht es um die Entwicklung von Strategien zur Sicherung von Arbeitsplätzen und der Wirtschaftskraft und um die Unterstützung der Unternehmen bei der Bewältigung von Zukunftsthemen. Der Transformationsbeirat setzt sich aus 28 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung zusammen, die ihr Know-how einbringen, um den Wandel aktiv zu begleiten.

Frage: Was waren die zentralen Themen der jüngsten Sitzung in Waldachtal?

Antwort: Es wurden drei Hauptbereiche adressiert: Erstens die Erfolge des laufenden Jahres, wie etwa geförderte Innovationen oder erfolgreich umgesetzte Digitalisierungsprojekte. Zweitens die Herausforderungen, insbesondere der Wandel in der Automobilindustrie und die damit verbundenen Risiken für die Region. Drittens wurden zukunftsweisende Strategien diskutiert, um die Transformation zu meistern und den Wirtschaftsstandort Nordschwarzwald langfristig zu stärken.

Frage: Einige Mitglieder des Gremiums befürchten, dass 2025, vorsichtig formuliert, erhebliche Herausforderungen auf die Region zukommen. Welche Risiken sehen Sie konkret?

Antwort: Der Nordschwarzwald ist stark von der Automobilindustrie abhängig, die sich in einem tiefgreifenden Umbruch befindet. Sinkende Verkaufszahlen, der Übergang zur Elektromobilität und der internationale Wettbewerb setzen viele Zulieferer unter Druck. Kurzarbeit und Stellenabbau sind bereits spürbar.

 

Diskutierten in der jüngsten Sitzung des Transformationsbeirats bei fischertechnik in Waldachtal über die wirtschaftliche Lage der Region (von links): Dr. Gerhard Janes (AHP Akademie der Hochschule Pforzheim), Helmut Riegger (Landrat Lkrs Calw und Aufsichtsratsvorsitzender der WFG Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH), Jochen Protzer (WFG-Geschäftsführer), Prof. Dr. Bernhard Kölmel (Hochschule Pforzheim, Vorsitzender des Transformationsbeirats NSW), Prof. Dr.-Ing. Günther Würtz (Steinbeis InnoBW), Adrian Sonder (Oberbürgermeister Freudenstadt), Martina Lehmann (Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim).

Gerd Lache

Frage: Welche Gegenmaßnahmen schlagen Sie vor?

Antwort: Die Region muss jetzt handeln, um die negativen Folgen abzufedern. Eine Diversifizierung der Wirtschaft ist dringend notwendig. Neue Branchen müssen angesiedelt und Innovationen gefördert werden. Die Digitalisierung bietet Chancen, die genutzt werden sollten. Auch die Qualifizierung und Umschulung von Beschäftigten ist wichtig, um sie fit für die neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes zu machen. Es ist essenziell, dass Unternehmen ihre strategische Ausrichtung überdenken. Dazu gehören neben der Erschließung neuer Märkte auch Investitionen in Technologien wie Elektromobilität und Nachhaltigkeit sowie die Intensivierung regionaler Netzwerke. Pragmatische Schritte wie verstärkte Marketingaktivitäten, flexible Nutzung von Kurzarbeit und Kostenoptimierung sollten kurzfristig umgesetzt werden. Der Schlüssel liegt in einer engen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Politik. Nur in enger Kooperation können die Herausforderungen bewältigt werden und der Nordschwarzwald gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Frage: Wie können die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Region diese Aufgaben bewältigen?

Antwort: KMU sollten sich auf Nischenmärkte konzentrieren, ihre Kernkompetenzen nutzen und Pilotprojekte starten, um erste Erfahrungen zu sammeln. Kooperationen mit anderen Unternehmen und die Nutzung von Förderprogrammen können die finanziellen und personellen Belastungen reduzieren. Agilität, kontinuierliche Weiterbildung und eine starke Online-Präsenz sind ebenfalls entscheidend, um erfolgreich in Zukunftsmärkte wie Medizintechnik oder Luft- und Raumfahrt einzusteigen. Sie sollten sich von Experten bei der Strategieentwicklung unterstützen lassen. Erforderlich ist auch kontinuierliches Lernen der Mitarbeitenden, um mit neuen Technologien und Anforderungen Schritt halten zu können. Die Diversifizierung in Zukunftsmärkte ist für KMU eine Herausforderung, sie bietet jedoch Chancen.

Frage: Was haben Ihre kostenfreien Workshops bei Unternehmen im Rahmen des TrafoNetz-Programms gezeigt?

Antwort: Transformation verläuft oft schleichend und wird erst spät als akute Bedrohung wahrgenommen. Dies führt zu einem abrupten Einbruch, anstatt zu einem kontrollierten Wandel. Viele Unternehmen im Nordschwarzwald kämpfen mit einer fehlenden strategischen Ausrichtung, einer starken Abhängigkeit von der Automobilindustrie und Herausforderungen bei der Digitalisierung. Im Rahmen der Workshops wurden Visionen entwickelt, Diversifizierungsstrategien erarbeitet und Maßnahmen zur Optimierung von Geschäftsprozessen vorgeschlagen. Positiv ist, dass einige Unternehmen bereits mit innovativen Ansätzen erfolgreich vorangehen und als Vorbilder dienen.

Frage: Welche Vision haben Sie für den Nordschwarzwald nach Beendigung des zeitlich begrenzten TraFoNetz-Projekts?

Antwort: Das Förderprojekt läuft zwar Mitte/Ende 2025 aus. Doch die Transformation im Nordschwarzwald ist ein fortlaufender Prozess. Daher ist es essenziell, die erreichten Erfolge zu verstetigen. Ich wünsche mir eine wirtschaftlich resiliente Region, die nicht mehr ausschließlich von der Automobilindustrie abhängig ist. Der Nordschwarzwald soll ein Innovationszentrum werden, das auf Nachhaltigkeit setzt und eine hohe Lebensqualität bietet. Die Weiterführung der Netzwerke, eine kontinuierliche Unterstützung der Unternehmen und flexible Anpassungsstrategien sind zentrale Punkte, um diese Vision zu realisieren. Nur durch gemeinsamen Einsatz kann die Region gestärkt aus der Transformation hervorgehen.

Die Fragen stellte: Gerd Lache

Text/Bilder: Gerd Lache

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