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Nachrichten aus Baden bewegt

Der große Traum vom Auswandern – für manche erfüllt sich der Traum

Wer träumt nicht ab und zu im Alltag davon am Meer zu leben, in einem fernen Land zu sein, dort zu arbeiten unter Palmen, am Strand – alles ganz gechillt und relaxed?

Aktuell am Auswandern: Dirk Görner aus Hartheim

Familie Görner

Abenteuerlust und der Wunsch nach Verbesserung der Lebensverhältnisse stehen bei der Motivation einer Auswanderung recht weit oben. Unter Auswandern versteht man übrigens dabei den dauerhaften Verlass der Heimat, um in einem anderen Land zu leben. Wir kennen das aus TV-Formaten wie „Goodby Deutschland“, die anhand von Beispielen verdeutlichen, wo sich manch einer eine neue Existenz aufbaut und dann dort lebt. Oftmals recht unüberlegt in der Umsetzung und sicher Quotenabhängig inszeniert. Deutschland den Rücken kehren und ein neues Leben anfangen, das klingt aber offensichtlich für immer mehr deutsche Staatsbürger nach einer verlockenden Möglichkeit, sich neu zu orientieren. Das geschieht übrigens sicher im Hinblick der Inflation und der Wirtschaftskrise. Bei der Recherche verschiedener Studien sind aber auch weitere Beweggründe zu Tage getreten.

Es gibt viele Gründe

Nun ja, es hört sich sicher leicht anzusagen, man wandert aus, weil einem die derzeitige Politik nicht zusagt, der Job hier in Deutschland nicht mehr gefällt, weil man mehr Work-Life-Balance will, man Abenteuerlustig ist, etwas erleben möchte vom Leben, sich verändern will: es gibt zahlreiche Gründe. Die Umsetzung dann steht auf einer anderen Seite, denn vor dem Auswandern sollten einige wichtige Dinge bedacht werden, denn nicht immer erweist sich die neue Heimat auch so, wie man es sich vorgestellt hat. Auch, wenn man das Land bereits durch Urlaubsreisen zu kennen scheint, ist es möglich, dass es sich im Alltag völlig anders darstellt. Sprachprobleme oder auch emotionale Probleme werden zudem häufig unterschätzt, da man ja meist Familienangehörige und Freunde zurücklassen muss und zumeist im neuen Land niemanden kennt.

Immer mehr Auswanderer

Laut einem Artikel der „gruenderfreunde“ und eine Statistik verlassen immer mehr Menschen Deutschland, um im Ausland eine neue Zukunft aufzubauen. Im Jahr 2020 lag die Zahl der Auswanderer bei rund 281.000 Personen. Das sind knapp 4.000 mehr als 2019. Altersmäßig bewegt sich das Gros der Auswanderer zwischen 18 und 49 Jahren. Aber auch immer mehr Rentner entscheiden sich dazu, ihren Lebensabend im Ausland zu verbringen.

Viele verschiedene Gründe zeigen sich für ein Auswandern auf. Da wäre die Politik der Corona-Pandemie mit ihren vielen Einschränkungen, die ein Entfliehen der Maßnahmen mit sich brachte. Viele fühlten sich von den Maßnahmen gegängelt, eingeengt und in ihren Rechten beschnitten. Dann das Thema als Rentner auszuwandern. Die Zahl der Rentner, die ihre Rente ins Ausland überweisen lassen, ist gestiegen. Im Jahr 2020 waren es rund 248.000 Ruheständler, wie aus dem Rentenatlas der Deutschen Rentenversicherung hervorgeht. Das ist ein neuer Rekord für die Auswanderung – und rund 20 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Hier spielen oft auch geringere Lebenshaltungskosten eine Rolle, um mit der Rente besser auszukommen.
Laut einer Umfrage ist das Wetter einer der Hauptgründe, warum deutsche Auswanderer ihr Land verlassen. Viele Krankheiten verbessern sich durch milderes Klima, für die Psyche und das Gemüt ist es ebenfalls zuträglicher. Dann der Punkt des Geldes: In manchen Ländern kann man einfach mehr verdienen. Das ist oft ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Auswanderung. Das Thema Steuern ist dabei sehr eng mit dem Einkommen verbunden. Deutsche und Österreicher zahlen einen der höchsten Steuersätze der Welt und das muss man sich einmal verdeutlichen. Ganz anders ist die Situation in der Schweiz und vielen anderen Ländern. Dort muss man deutlich weniger vom Gehalt an den Staat abführen. Außerdem gibt es zahlreiche Länder, in denen man mehr für sein Geld bekommt. Das ist besonders für Menschen interessant, die bereits ein gewisses finanzielles Polster angespart haben, denn damit lässt es sich erwiesenermaßen gut leben. In einigen Ländern in Südostasien, Mittelamerika oder Südeuropa reicht dieses Geld viel länger oder man kann sich einen viel besseren Lebensstandard leisten. Eine Immobilie, regelmäßig Essen gehen, Massagen, Kosmetik und ein ausgewogenes Leben unterm Sonnenhut zahlen hierauf ein. Und gerade das Klima und die vielen Sonnenstunden bringen bei vielen Menschen eine deutlich positivere Lebenseinstellung. Auswandern bedeutet natürlich auch einen Neuanfang zu wagen, vielleicht sogar nochmal bei null anzufangen.

Die Bestenliste der Auswanderer-Länder

Skandinavien rangiert in der Gunst deutscher Auswanderer ziemlich weit oben und in der TOP TEN auf den Rängen neun. Anfang 2021 hatten jeweils 26.000 Bundesbürger ihren Wohnsitz in Dänemark oder Norwegen, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) unter Berufung auf Daten von Eurostat mitteilte. Damit teilten sich die beiden Länder unter den beliebtesten Destinationen in Europa Platz neun. Mit 29.000 deutschen Auswanderern folgt Schweden auf Rang acht. Verlassen wir den Norden und gehen an den Beginn der TOP TEN-Liste. Die Schweiz bleibt auch während der Pandemie das beliebteste Auswandererziel der Deutschen. Anfang 2021 hatten rund 309.000 Bundesbürger dort ihren Wohnsitz gemeldet. Dabei nehmen die Zahlen seit Jahren zu. Die Schweiz war zudem das europäische Land, dessen Staatsbürgerschaft Deutsche zuletzt am häufigsten erworben haben. 2020 wurde hier mit 6.900 Einbürgerungen (4,3 Prozent mehr als 2019) ein Höchststand erreicht. Auf den Plätzen zwei und drei stehen übrigens die Länder Österreich und Spanien.

Jean Décieux, der als Wissenschaftler an einer der Studien zur Auswanderung beteiligt war, stellte fest: „Meist wandern hochgebildete Menschen aus Deutschland aus“.

Familie Görner

Aktuell am Auswandern: Dirk Görner aus Hartheim

Dirk Görner, Verkaufs-Trainer und Berater aus Hartheim ist das brandaktuelle Beispiel solch einer Veränderung. Er wandert nämlich jetzt gerade mit seiner Familie aus und hier seine Geschichte:

Es ist Norwegen

Wann und wie die erste Idee von Urlaub in Norwegen das erste Mal aufpoppte, könne er heute gar nicht mehr sagen. 2020 sollte es gemeinsam mit Ehefrau Britta im Frühjahr für eine Woche mit Hurtigruten ein Trip der klassischen Postschiffroute werden. Eine verspätete Hochzeitsreise sozusagen von Tromsø nach Bergen. Aber dann kam Corona und die Reise fiel ins Wasser.
Im September 2021 wurde dann der Traum vom ersten Urlaub in Norwegen Realität. „Vom ersten Tag an fühlt es sich sehr heimisch für uns an“, erklärt Dirk Görner. Wunderbare Natur, freundliche Menschen und alles deutlich entschleunigter als zuhause in Hartheim. Bereits auf der Rückreise nach Deutschland wurde der nächste Besuch geplant.
„Der zweite Urlaub hat dann wirklich einiges in uns bewegt“, erinnert er sich weiter. Das Paar war zwei Wochen in der Nähe von Farsund in einem sehr gemütlichen Ferienhaus direkt am Fjord. Schnell wurde ein enger Kontakt zur Gastgeberfamilie aufgebaut. Viele intensive Gespräche über Land und Leute, das Schulsystem und Möglichkeiten der Arbeitssuche wurden geführt. „Erstes Fazit für uns: das könnte uns gefallen.“

Viele positive Eindrücke führen zum „Norwegen-Test

In jedem weiteren Urlaub bestätigen sich die positiven Eindrücke und der Gedanke, Norwegen einfach für vier Monate in einem Zeitraum zu testen, kristallisierte sich heraus. Ein gutes Jahr später, im Dezember 2022 stand der Reiseplan für das Projekt „Norwegen-Test“.

Was das Ehepaar aus Hartheim nicht vermutet hatte: die Ereignisse überschlagen sich plötzlich. Sie bekommen ein kleines Hotel am etwa 1.800 Kilometer von Hartheim entfernten Saudafjord zur Pacht angeboten. Die Verpächter hatte man ein halbes Jahr vorher kennengelernt: deutsche Auswanderer. Der Saudafjord in Ryfylke erstreckt sich vom Sandsfjord 16 Kilometer nordostwärts bis Sauda. An der gleichen Stelle geht auch der ostwärts nach Hylen führende Hylsfjord ab.

Kurzentschlossen fliegt Ehefrau Britta im Februar 2023 nach Norwegen und besichtigt das Hotel. Die Region und das Hotel gefallen ihr, also steht einem „Ja“ nichts im Wege. Heute, zwei Monate später, ist noch nicht jedes Detail geplant. Viele Formalitäten müssen erledigt werden, das Haus in Hartheim verkauft. Dirk Görner rechnet mit einem Umzug in mehreren Etappen, denn nur Handgepäck reicht natürlich nicht aus.

Und was bewirkt das Abenteuer? „Wir fühlen uns gut mit unserer Entscheidung und gehen nicht blauäugig, sondern mit Respekt in dieses Abenteuer. Eine neue Aufgabe, eine neue Sprache, eine neue Schule: alles erscheint machbar. Wir haben ein gutes Netzwerk mit Spezialisten in verschiedenen Bereichen. Im Ernstfall gibt es noch die Deutsch-Norwegische Handelskammer“, sagt Görner. Auf Jobsuche müssen die beiden im ersten Schritt gar nicht gehen. Britta Görner kann ihre Erfahrung in der Hotelbranche im jetzt dann eigenen Hotel einbringen. Als selbständiger Coach und Berater kann Dirk Görner viele Projekte auch online umsetzen. Und das mit einer besseren Internetverbindung als bisher in Deutschland. Teilweise seien sie selbst überrascht, wie sehr sie sich auf diesen Neuanfang freuen. Selbst der 12-jähriger Sohn sieht sehr viele positive Aspekte. Erste Sorgen und Verlustängste sind zu Neugier und Vorfreude geworden.

„Natürlich wird der Abstand zu Familie und Freunden größer, natürlich müssen wir liebgewonnene Dinge und Gewohnheiten aufgeben. Den Bäcker und den Metzger um die Ecke werde ich bestimmt vermissen. Aber neben „hin zu Norwegen“ wächst auch immer mehr ein „weg von Deutschland“. Das irritiert mich, denn mehr als 50 Jahre habe ich mich wohl gefühlt in diesem Land. Aber in den letzten Monaten ist ein Störgefühl entstanden, dass ich gar nicht richtig in Worte fassen kann. Ein Großteil unserer Gesellschaft scheint schuld an allem Übel in der Welt zu sein. Der verbleibende Teil macht Vorschriften, an die sich Deutschland und auch der Rest der Welt halten soll. Und vermeintliche Experten erklären unwichtige Themen zu essenziellen Aspekten des Zusammenlebens“, merkt Görner an. Augenzwinkernd verweist er auf den großen Indianerhäuptling Winnetou – ja, wir wissen, was er damit sagen will.

Dirk Görner sieht nicht durch eine rosarote Brille, denn er weiß, dass er auch im neuen Land Norwegen nicht mit allem einverstanden sein wird. Er hatte schon Gespräche mit Norwegern im Rentner-Alter. Alle kannten die unrühmliche Geschichte Deutschlands im zweiten Weltkrieg, aber niemand hat sie mir vorgehalten, zeigt sich der Coach beeindruckt. Er und seine Familie sind aktuell am Abschiednehmen, das geschehe laut Görner im Guten – aber doch etwas enttäuscht.

Das Region im Blick-Team wünscht der Familie Görner einen guten Start in das neue und aufregende Norwegen-Abenteuer.

Trägt sich derzeit noch jemand mit diesem Auswander-Gedanken? Dann melden Sie sich doch bitte unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., denn wir bleiben an diesem Thema dran.

Text: Heike Scheiding /Fotos: Familie Görner

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