Baden bewegt: Johan Traber
„Wir sind eigentlich viel zu bürgerlich, nur auf andere wirken wir oft exotisch“
Ich fahre zum Jägerhof nach Vogtsburg und treffe auf ein ganz besonderes Kleinod mit einer Kapelle, einem Museum und einem ganz besonderen Mann: Johann Traber, Artist, besser gesagt Hochseilartist, Vater, Ehemann und seit 30 Jahren mit dem Europa Park in Rust verbunden – gerade hat er die Weihnachtssaison als Fliegender Weihnachtsmann beendet, der die Kinderaugen hat Strahlen lassen – und nicht nur die.
Und hier am „Jägerhof“ leben vier Generationen Trabers und das bedeutet schlichtweg Heimat für Johann Traber.
„Ich habe eine tolle Frau, mit der ich seit 36 Jahren verheiratet bin und tolle Kinder, inzwischen auch schon zwei Enkelkinder“, sagt er voller Stolz. Oft sitzen abends alle gemeinsam gemütlich um den Tisch – „meine Familie“. Johann Traber, Komödiant und Artist, wie sein Vater und Großvater und sein Sohn Johann.
Johann Traber, Artist
Sicher erinnern sich die einen oder anderen Leser, was am 21. Mai 2006 bei einem spektakulären Hochseilakt in Hamburg passiert ist. Johann Traber Junior stürzt vor 100.000 Zuschauern in die Tiefe, weil ein Mast, der ihn eigentlich hätte tragen sollen, gebrochen ist. Hierüber hat Johann Traber Senior 2007 ein Buch geschrieben „Absturz ins Leben – Glanz und Schicksal einer Artistenfamilie“. Ein Schicksalsschlag, den eine ganze Familie verkraften und mittragen musste, um so dem Junior wieder ins Leben zu verhelfen.
Lange Artisten-Tradition
Seit 1799 sind die Trabers eine bekannte Hochseilartisten-Dynastie, die Tradition wird stets weitergegeben – vom Vater an den Sohn und in jeder Generation, so erzählt mir Johann Traber Senior, gab es wagemutige Akrobaten, die das Publikum auf der ganzen Welt in den Bann zogen und mit atemberaubenden Vorführungen begeisterten.
Dass, was für andere als „exotisch“ betrachtet wird, ist ein besonderer Zusammenhalt von Künstlern, die eigentlich immer unterwegs sind und miteinander leben und arbeiten, sich zu 100-Prozent vertrauen müssen. „Wir sind stolze Hochseilartisten“, betont Traber. Die Familie, die er nach dem schrecklichen Unfall seines Sohns als Netz bezeichnet, besteht aus Maria-Vera, genannt Mitzi, Ehefrau von Johann Traber Senior, sowie den beiden Töchtern Anna und Katharina. „Wir sind durch den schrecklichen Unfall und alles, was auf uns zukam, auch die beiden bleibenden Hirnschäden nach dem Unfall, als Familie gegangen, die stets zusammenhält“, beschreibt es Traber.
Seit Jahren verfolgen seine beiden Töchter die Geschäftsidee aus Skandinavien mit dem Flammlachs, den man auf dem Freiburger Weihnachtsmarkt, im Europa Park, oder auf den Weinfesten in Breisach und Freiburg genießen kann.
„Ich stehe zu 100-Prozent zu meinem Leben“
Sein Vorbild ist sein eigener Vater, der 1976 verstarb, „weltmännisch und charmant“, während seine Mama Margot Maria Traber, geborene Spindler aus Achkarren stammte. Sie schrieb übrigens wunderschöne Gedichte. Der heute 65-jährige Johann Traber ist bodenständig und gläubig, ein Familienmensch und Erinnerungssammler, ein Ritterfan, ein Philosoph und Oldtimerfan.
Mit sechs Jahren stand Johann Traber Senior in Freiburg auf dem Karlsplatz das erste Mal vor großem Publikum auf einem Seil in 22 Metern Höhe. Seither hat er die Welt gesehen und dabei oft mit dem Leben gespielt. Auch er ist schon mehrfach abgestürzt, übrigens auch in Hamburg aus 30 Metern Höhe oder in Holland – jedes Mal gingen die Abstürze glimpflich vorüber – sein Sohn hatte nicht so ein Glück, musste sich in das Leben zurückkämpfen und in ein neues Lebe eintauchen.
Die Original Johann Traber-Familie, eine der erfolgreichsten Artisten-Familien der Welt. Weltweit bekannt wurden sie unter anderem mit einem Höhenweltrekord, uraufgeführt von Alfredo und Henry Traber 1953 auf der Zugspitze in 2.963 Metern Höhe. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Rekorde aufgestellt. Durch diese einzigartigen und spektakulären Leistungen auf dem Hochseil gelang es der Original Johann Traber-Familie, sich an die Spitze der Hochseilartisten zu setzen.
Die Sankt-Georgs-Kapelle
Trotz vieler behördlicher Widrigkeiten hielt Johann Traber an seiner Vision, seinem Versprechen fest, eine Kapelle auf seinem Grund und Boden zu bauen. Die Kapelle hatte der weltbekannte Hochseilartist schlichtweg aus Dankbarkeit für das Überleben und die Genesung seines Sohnes Johann erbaut. Sie wurde im Jahre 2011 von Erzbischof Robert Zollitsch geweiht und lädt heute jeden, der am „Jägerhof“ vorbeikommt, zum Innehalten ein. Die Namensgebung liegt im Hamburger St. Georgs Krankenhaus begründet. „Außerdem passt der Sankt Georg auch zu uns, der heilige Drachentöter“, schmunzelt Traber. Georg zählt zu den 14 Nothelfern. Er ist der Schutzpatron verschiedener Länder, Adelsfamilien, Städte und Ritterorden.
Die Sankt-Georgs-Kapelle
Vor zwei Jahren ließ Traber in Karlsruhe eine Glocke gießen, der Turm dafür ist ein Gittermast, der 1953 zum Weltjugendtreffen in Berlin aufgebaut war und dort zum Einsatz der Hochseilartisten kam. Jetzt dient er als Träger der Glocke, die einmal täglich um 12 Uhr und abends um 18 Uhr läutet – zu der Zeit, als der Unfall passiert war.
Das Trabermuseum
Tradition und der Stolz auf die Familie, das sind Dinge, die Johann Traber tief berühren und überaus wichtig sind. Beim Eintreten in das vor sechs Jahren eingerichtete Museum auf dem Traber-Gelände wird jeder Besucher ganz schnell in eine andere Welt versetzt. Und Johann Trabers Augen leuchten, zu jedem Stück, in dem Erinnerungen und Geschichten verborgen sind, weiß er zu berichten, er streichelt hier über den Kotflügel, dort blickt er auf ein Foto, und es mag fast sein, als wenn Johann Traber eingetaucht ist in die längst vergessenen Zeiten seiner Familiengeschichte. Unglaublich die vielen Episoden von Auftritten und Begegnungen, von Begebenheiten und Sensationellem, die er so nebenbei ausplaudert – ich kann gar nicht mitschreiben, so fasziniert bin ich selbst. Chromblitzende Motorräder, Erinnerungen an den James Bond Film „Moonraker – Streng geheim“ aus 1979, in dem Johan Traber mitgewirkt hat – man erinnere sich an Roger Moore und ich habe mir vorgenommen, diesen Film in Kürze mal bewusster anzusehen und darauf zu achten, wann ich Traber zu sehen bekomme.
Das Traber´sche Anwesen ist in der Tat ein privates Museum, in dem der Sammler Johann Traber Devotionalien der eigenen Familie, wie beispielsweise den überaus aufwändig restaurierten, hölzernen Zirkuswagen seiner Großeltern oder unzählige Motorräder aufbewahrt, mit denen er auf dem Hochseil so manchen Rekord aufgestellt hat. Hier hängen Fotos, Plakate, Pokale, Auszeichnungen, Fotos und so viele Sammlerstücke mehr. „Es ist wichtig, die Erinnerungen zu bewahren“, betont er. Auch die Erinnerung an die lange Tradition der Hochseilartistik. Das Museum, so Traber, sei ein Stück Kulturgeschichte.
Dem traditionsbewussten Hochseilartisten ist es wichtig, dass die Sammlung so bleibt, deshalb möchte er sie irgendwann einmal dem Europa Park vermachen, damit viele Menschen diese Unikate zu sehen bekommen.
„Wir Trabers setzen immer noch eins obendrauf, das ist unser Anspruch, schon das ganze Leben lang“. So sieht es aus, denn eins oben drauf gesetzt hat die ganze Familie Traber sicherlich mit dem herben Schicksalsschlag und dem damit verbundenen unglaubliche Familienzusammenhalt in einem ganz neuen und anderen Lebensabschnitt.