Nervenkitzeln, Anspannung und sechs Tage lang nasse Füße
Scottish six days trial 2024
Das Scottish Six Days Trial (SSDT) ist ein traditionsreiches, internationales Trial, das seit 1909 abgehalten wird und als einer der schwierigsten Motorrad-Trails der Welt gilt. Jedes Jahr stellen sich 288 Trial-Fahrer aus aller Welt dieser Herausforderung. Pro Tag legen sie bis zu 160 Kilometer auf und abseits der Straße zurück und bewältigen dabei rund 28 Sektionen. Das Zeitfenster von 7 Stunden pro Tag lässt keine Zeit zum Trödeln– hier zählt jede Minute.
Start: Scottish six days trial 2024
In diesem Jahr hatte mein Vater das Glück, einen Startplatz zu ergattern. Es war bereits das vierte Mal, dass er beim SSDT teilnahm. Eigentlich hätte er mit seinem Jugendtrial-Freund Stefan Bernhart, einen ebenfalls leidenschaftlichen Trial-Fahrer aus dem Ortsclub AMC Unterer Breisgau, teilgenommen. Doch drei Wochen vor dem Trial brach sich Stefan das Handgelenk. Für meinen Vater stand die schwierige Entscheidung an: Zu Hause bleiben oder allein fahren?
Als ich ihm anbot, ihn zu begleiten und zu unterstützen, fiel ihm die Entscheidung leichter. So starteten wir am 8. Mai unsere Reise nach Fort William in Schottland. Mit der Fähre ging es über das Meer, denn wir mussten das Motorrad, Werkzeug und alle notwendigen Utensilien mitnehmen. Noch während des Ablegens dachte ich, das Trial würde die größte Herausforderung unserer Reise werden – doch schon bald stellte sich heraus, dass die erste Hürde die Seekrankheit war, die uns beide erwischte.
Nach 20 Stunden Schiffsfahrt von Amsterdam nach England und weiteren fünf Stunden Autofahrt kamen wir endlich in Fort William an. Dort warfen wir direkt einen Blick ins Fahrerlager am Hafen und erledigten die letzten organisatorischen Schritte. Im Fahrerlager waren Zelte und Stände aller großen vertreten Trial-Marken zu finden, die ihre Fahrer mit Werkzeug und Versorgung unterstützten.
Der nächste Tag, der letzte freie Tag vor dem Start, war für die Fahrer reserviert, um Startnummern und Anmeldungen abzuholen. Jedes Motorrad musste vorgeführt und geprüft werden. Dabei wurden Rahmen und Motor mit einer wetterfesten Farbe markiert, da diese Teile die nächsten sechs Tage nicht gewechselt werden dürfen. Später fand in der Stadt eine klassische Parade statt, bei der alle Fahrer begleitet von Dudelsackspielern durch die Innenstadt fuhren.
Am Abend wurden alle Motorräder am Hafen nach Startnummern sortiert abgestellt, und über Nacht bewacht. Niemand durfte in dieser Zeit zu seinem Motorrad.
Fahrerlager: Klaus Deisinger
Am nächsten Morgen startete mein Vater in der ersten Gruppe. Es gibt insgesamt fünf Startgruppen, die Starter starten im Minutentakt. Zehn Minuten vor dem Start durfte jeder Fahrer zu seinem Motorrad, um letzte Checks und nötige kleine Reparaturen durchzuführen. Direkt nach dem Start ging es für mich zu den ersten Sektionen. Da einige Sektionen schlecht oder gar nicht möglich waren anzufahren, musste ich planen, welche Sektion ich anfahren kann. Ich hatte zudem meinem Vater einen AirTag in dem Rucksack deponiert, damit ich besser abschätzen konnte, wo er sich gerade befand.
An den anspruchsvollen Sektionen des Trials standen stets mehrere Fänger bereit. Die Abschnitte waren äußerst vielfältig und abwechslungsreich. Die Fehlerpunkte der Fahrer wurden von Punktrichtern bewertet. Die Großzahl der Sektionen führte durch strömende Bäche, in denen das Wasser so hochstand, dass schon beim Durchlaufen der Sektion das Wasser bis hoch zu den Stiefeln reichte. Die Abschnitte zwischen den Sektionen führten teilweise bis zu 30 Kilometer durch das Moor der schottischen Highlands, die durch kleine rote Fähnchen markiert waren.“
Die zahlreichen Zuschauer waren begeistert – von jung bis alt verfolgten sie gespannt die beeindruckenden Fähigkeiten der Trial-Fahrer. Wir hatten Glück mit dem Wetter, das für schottische Verhältnisse hervorragend war. Nur am dritten Tag gab es ein wenig Regen, der jedoch kaum der Rede wert war.
Als mein Vater nach dem ersten Tag ins Ziel kam, war er völlig erschöpft. Sieben Stunden lang hatte er unter Anspannung und mit höchster sportlicher Leistung die Strecke bewältigt – und das mit nassen, kalten Füßen! Er hatte noch ein wenig Zeit, sein Motorrad und sich selbst vom Schlamm zu befreien und ein paar Schrauben nachzuziehen. Wenn man früher ins Ziel kommt, darf die verbleibende Zeit für Reparaturen genutzt werden. Der erste Tag verlangt die meiste Überwindung und Mut. Doch sobald dieser geschafft ist, kann man sich besser auf die restlichen Tage einstellen und weiß, was einen erwartet.
Die restlichen Tage des Trials verliefen zum Glück ohne Verletzungen. Am dritten Tag gab es einen Zeitbonus von 30 Minuten, der für die Wartung des Motorrads vorgesehen war. Doch dieser Bonus war kein zusätzliches Geschenk – wer später als geplant ins Ziel kam, musste diese Zeit bereits von den 30 Minuten abziehen.
Trial
Der dritte Tag gilt als einer der schwierigsten, das kann ich bestätigen, nachdem ich die anspruchsvollen Sektionen gesehen habe! Ich übersprang die letzten paar Sektionesgruppen, um früher am Ziel zu sein. Gemeinsam mit einem Bekannten brachten wir unsere Werkzeugkiste zum Stand des englischen TRS Importeurs Steve Saunders, der den TRS-Stand seit Jahren bei den SSDT betreut und die SSDT selbst viermal in Folge gewonnen hatte.
Alles war bereit, doch dann blieb mein Vater im Moor stecken und kam 20 Minuten verspätet ins Ziel. Jetzt musste alles schnell gehen: Uns blieben nur acht Minuten, um Kette und Hinterrad zu wechseln. In letzter Sekunde schafften wir es, und mein Vater konnte ohne weitere Verzögerung ins Ziel einfahren. Am vierten Tag nutzte er die zehn Minuten vor seinem Start, um noch den Luftfilter zu wechseln, und konnte so beruhigt in den nächsten Abschnitt starten.
Die letzten zwei Tage verliefen fast reibungslos, abgesehen von zwei kleinen Zwischenfällen, bei denen meinem Vater das Benzin ausging. Zum Glück geschah das jeweils in der Nähe eines Tankstopps, sodass ihm schnell geholfen war. Das Motorrad blieb unversehrt und lief zuverlässig. Es mussten keine größeren Reparaturen vorgenommen werden – eine Erleichterung, da die bei der Abnahme markierten Teile wie Motor und Rahmen nicht ausgetauscht werden dürfen. Ein Defekt an diesen Teilen bedeutet das sofortige Ausscheiden des Wettbewerbs, und man könnte nur noch als nicht-wertender Fahrer mitfahren.
Als mein Vater nach sechs langen Tagen endlich das Ziel erreichte, war er überglücklich. Er war stolz, nicht nur unversehrt geblieben zu sein, sondern auch dem körperlichen und mentalen Druck standgehalten zu haben. Am letzten Abend des sechsten Tages fand die Siegerehrung statt, bei der alle gewerteten Fahrer einen Preis erhielten – ein krönender Abschluss für eine anstrengende, aber erfolgreiche Woche für fast alle Fahrer.