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Nachrichten aus Freiburg

„Wir können uns nicht zurücklehnen“

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nach 60 Jahren Élysée-Vertrag

Deutschland und Frankreich feiern 60 Jahre Élysée-Vertrag. Ein guter Anlass, um den Stand der aktuellen Wirtschaftsbeziehungen beider Länder genauer zu betrachten. Dazu organisierten das Centre Culturel Français Freiburg, die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein sowie die Handwerkskammer Freiburg am vergangenen Donnerstag eine Veranstaltung im Centre Culturel Français in Freiburg. Während die Kammervertreter die Wirtschaftsbeziehungen im Grenzgebiet erläuterten, zeigten französische und deutsche Unternehmen aus Industrie und Handwerk, wie ihre Erfahrungen in der Praxis aussehen, welche Erfolge sie feiern und welche Hürden sie aktuell noch bremsen.

Die Entwicklungen der letzten 60 Jahre geben uns viele Gründe, stolz zu sein, erklärte Gaël de Maisonneuve, Generalkonsul für Frankreich in Baden-Württemberg.

IHK Südlicher Oberrhein

Der Élysée-Vertrag, den Konrad Adenauer und Charles de Gaulle am 22. Januar 1963 unterzeichneten, besiegelte die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland. Inzwischen hat sich Europa nach und nach zu einem Binnenmarkt entwickelt mit einer gemeinsamen Währung, Grenzenlosigkeit und dem Austausch von Gütern, Waren sowie Dienstleistungen. Links und rechts des Rheins ist damit auch ein gemeinsamer Kultur-, Sprach- und Wirtschaftsraum entstanden. „Insbesondere für das Handwerk, einem wichtigen Teil der südbadischen Wirtschaft, sind die Verbindungen zum Elsass und zu Frankreich von großer Bedeutung. Da das Handwerk in erster Linie ein regional organisierter Wirtschaftszweig ist, ist Frankreich als Markt und als Partner äußerst wichtig“, betonte Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg, bei seiner Begrüßung vor Vertretern der Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie vor Schülern des deutsch-französischen Gymnasiums in Frankreich und Studenten deutsch-französischer Studiengänge. „Insgesamt interagieren mehr als 3.000 deutsche Unternehmen mit der französischen Wirtschaft. Auch für die Industrie und den Handel am südlichen Oberrhein ist die Beziehung zu Frankreich bedeutend. Daher setzen wir uns gemeinsam mit der Handwerkskammer dafür ein, diese zu fördern und bürokratische Hürden zu minimieren“, ergänzte Dr. Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein.

Deutschland und Frankreich sind die bevölkerungs- und investitionsstärksten Länder in Europa. Eine gute Partnerschaft ist daher nicht nur für die Region, sondern auch für die Entwicklung von ganz Europa
essenziell. „Die Entwicklungen der letzten 60 Jahre geben uns viele Gründe, stolz zu sein. Es gibt zahlreiche
Seite 2 von 3 Initiativen, Kooperationen und Investitionen auf beiden Seiten, und auch die Regierungen sowie die Verwaltungen arbeiten daran, die Beziehungen weiter zu verstärken“, erklärte Gaël de Maisonneuve, Generalkonsul für Frankreich in Baden-Württemberg. Dennoch gibt es für diese Partnerschaft noch einige Probleme und Herausforderungen, gerade in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Beispielsweise ist in der Theorie mit dem Recht der Freizügigkeit das arbeiten in einem anderen Land einfacher geworden, in der Praxis gibt es jedoch in der Zusammenarbeit noch einige Hürden, die Unternehmen unnötig Steine in den Weg legen. Daher können wir uns jetzt nicht zurücklehnen“, betonte Salomon.

Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg, begrüßte zur gemeinsamen Veranstaltung mit der IHK Südlicher Oberrhein vor Vertretern der Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie vor Schülern des deutsch-französischen Gymnasiums in Frankreich und Studenten deutsch-französischer Studiengänge.

IHK Südlicher Oberrhein

In einer Podiumsrunde gaben Unternehmerinnen und Unternehmer einen Einblick in die Praxis. Caroline Willnat, Inhaberin der Bäckerei „La Baguette de ma mère“ mit französischen Backwaren in Freiburg, berichtete über bürokratische Hürden, mit denen bereits ihr Vater zu kämpfen hatte. Dieser hatte eine Bäckerei in Breisach betrieben und musste dafür mit 50 Jahren noch die Meisterprüfung in Deutschland nachmachen, da seine Kenntnisse nicht akzeptiert wurden.

Guy Tonnelier, der Wirtschaftsförderungsprojekte in Straßburg gemanagt hat und nun mit der „GT Vermögensverwaltungsgesellschaft als Selbstständiger im Consultingbereich in Kehl arbeitet, wies auf die sprachlichen Hürden hin, die immer noch gegeben sind. „Es gibt wenig Lehrkräfte, die beispielsweise für private Initiativen zur Verfügung stehen. Und da in der Region Grand Est Deutsch nicht obligatorisch ist an den Schulen, wird dieses Problem weiter verstärkt“, betonte Tonnelier. Paul Dieter Waltersbacher von Ernst Umformtechnik aus Oberkirch berichtete, dass sein Unternehmen bereits seit 1997 ein Werk im Elsass betreibt. „Eine riesige Hürde ist für uns nach wie vor das Entsendegesetz und die Notwendigkeit der A1-Bescheinigung, die Arbeitnehmer für Dienstreisen nach Frankreich vorweisen müssen. Das nimmt einem Unternehmer erhebliche Flexibilität, die wir in der heutigen Zeit dringend benötigen“, klagte Waltersbacher. Außerdem berichtete er über die Vorteile von deutsch- französischen Teams in der Zusammenarbeit: „Während die Deutschen eher für Präzision und Qualität stehen, sind Franzosen innovationsgetrieben und kreativ. Diese Mischung macht die Zusammenarbeit sehr interessant und bereichert beide Seiten.

Zum Abschluss berichtete Christina Jablonski, Human-Resources-Referentin Frankreich im Europa-Park, über ihre Erfahrungen. Der Europa-Park beschäftigt viele französische Mitarbeiter in Rust als Techniker, in Restaurants oder auch in den Hotels. Für das Recruiting setzt man auf regionale Jobmessen wie die Jobmesse Colmar. Außerdem sitzt Jablonski selbst einmal die Woche im Büro in Straßburg und ist für Interessenten direkt vor Ort ansprechbar, wenn es beispielsweise um Fragen zum Lebenslauf in Deutschland oder andere Formalia geht. Für die sprachliche Hürde hat der Park eine eigene Lösung
entwickelt: „Für Rulantica gab es viele neue Einstellungen. Da wurden die Mitarbeiter von Anfang an bilingual geschult also die französischen Mitarbeiter haben Deutsch gelernt und die deutschen Mitarbeiter
dürfen auch Französisch lernen. Das erleichtert den gegenseitigen Umgang und fördert auch das kulturelle Verständnis untereinander. Die Kurse fanden in direkter Nähe zum Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit statt“, erklärte Jablonski. Der Europa-Park besitzt außerdem ein Kreativzentrum in Plobsheim im Elsass. Dort arbeiten sowohl französische Mitarbeiter, als auch deutsche. „Auch hier verläuft die Zusammenarbeit reibungslos. Was eher Probleme bereitet, ist die A1-Bescheinigung. Um hier keine Probleme zu haben, setzen wir dann eher auf französische Verträge“, sagte Jablonski.

Text/Bilder: IHK Südlicher Oberrhein

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