Skip to main content
Nachrichten aus Blickpunkt: Moderne Frauen

Wir sind dann mal weg….

Melanie Amann-Brandt und ihre Familie nehmen sich eine Auszeit

Träume sind Schäume, heißt es bekanntermaßen. Viele haben die Illusion, sich eine Auszeit mit der Familie zu nehmen, so lange die Kinder noch klein sind. Ausspannen, Neues entdecken, gemeinsames Erleben, Urlaub, Zeit haben, Auszeit, Sonne – so der Traum. Viele schrecken vor dem Unbekannten jedoch zurück, machen fehlt das Geld, anderen der Mut.

Melanie Amann-Brandt und ihre Familie nehmen sich eine Auszeit

Wenn sich das Alltagskarussell unaufhörlich immer schneller dreht und die Familienzeit wie so oft hintenanstehen muss, kommt für viele Eltern irgendwann der Moment, das Leben zu leben, in vollen Zügen zu genießen und die kostbare, unwiederbringliche Zeit der Kindheit mehr in den Fokus zu stellen. Die Entscheidung, mit der Familie auf Reisen zu gehen und für eine Zeit auszusteigen, ist ein klares Ja für die Freiheit und ein Nein zum alltäglichen Hamsterrad. Melanie Amann-Brandt (40 Jahre), bei der Stabstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Herbolzheimer Rathaus beschäftigt, wagte diesen Traum und lebt ihn aktuell noch immer. Ausgestattet mit einem Opel Vivaro und einem Dachzelt von Moby Mountain, ging die Reise mit Ehemann Tom (45 Jahre) und den beiden Mädels (10 Jahre und 6 Jahre) los. Heike Scheiding fragte bei ihr nach und horchte, wie es jetzt, nach einigen Monaten Auszeit aussieht.

Warum diese Auszeit und war das beim Arbeitgeber/Schule/Ehrenamt, etc ein Problem im Vorfeld?

Melanie Amann-Brandt: „Wir haben schon lange von dieser Auszeit geträumt. Doch eigentlich hat alles mit meiner "Weltreise" während meines Studiums angefangen. Seitdem bin ich regelmäßig im Reisefieber und habe meinen Mann angesteckt. Wann immer es ging, waren wir unterwegs, um unseren Kindern die Welt zu zeigen und ihnen damit klar zu machen, dass unser Leben zuhause nicht selbstverständlich ist und dass es schlicht und einfach unglaublich viel zu entdecken gibt. Den schlussendlichen Anstoß zu dieser Auszeit war wahrscheinlich derselbe wie bei anderen, die für ein paar Monate aussteigen: Irgendwann sitzt man nach einem weiteren Arbeitstag auf der Couch und fragt sich: Und das ist es jetzt? Bis zur Rente? Da muss doch noch mehr sein! Viele sagen, wenn die Kinder aus dem Haus und wir in Rente sind, dann reisen wir. Solange wollten wir nicht warten. Bis dahin kann viel passieren, außerdem wollten wir es mit unseren Kindern machen, auch um ihnen zu zeigen, dass es zum Glücklichsein nicht viel braucht. 

Bei meinem Arbeitgeber, der Stadt Herbolzheim, sind wir mit unserem Anliegen auf offene Ohren, großes Verständnis und Unterstützung gestoßen. Gemeinsam haben wir ein Model ausgearbeitet, damit ich die nötigen Stunden ansparen kann. Mit der Grundschule unserer Tochter führten wir viele Gespräche, um die fehlende Schulzeit gut zu überbrücken. Von der Klassenlehrerin wurden wir unglaublich toll unterstützt und haben einiges an Lernmaterialen erhalten. Auch unsere ehrenamtlichen Tätigkeiten laufen dank engagierter und kluger Köpfe weiter! Für all diese Unterstützung sind wir unglaublich dankbar. Schwierigkeiten gab es allerdings beim Arbeitgeber meines Mannes. Dieser war leider nicht bereit eine gemeinsame Lösung zu finden. Deswegen hat mein Mann gekündigt. Doch wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue.“ 

Wie lange dauert diese Auszeit?

Melanie: „Wir sind am 3. April gestartet und planen unsere Rückkehr auf Ende August /Anfang September.“ 

Der Streckenverlauf bisher?

„Spanische Küste entlang - Portugal - über Nordspanien nach Paris - Belgien - Holland - Fehmarn - Dänemark – Schweden.“

Noch geplant?

„Wir werden die restliche Zeit in Schweden verbringen. Wir möchten uns zum Abschluss in Schweden noch für ein paar Tage ein Häuschen mieten, um nach den vielen aufregenden Wochen noch mal so richtig zur Ruhe zu kommen. Eventuell machen wir auf dem Rückweg noch einen Abstecher für ein paar Tage in Dänemark.“ 

Was sind deine besonderen Momente dieser bisherigen Reise?

„Am liebsten mag ich auf Reisen die Momente, die man als "normaler Tourist" nicht unbedingt bekommt, weil man nicht so tief eintaucht, weil man nicht genug Zeit hat. Wenn man einfach abbiegen und anhalten oder länger als geplant bleiben kann, weil einem die Gegend gefällt. So haben wir zum Beispiel eine wunderschöne Bucht in Nordspanien entdeckt.  Einer meiner Lieblingsmomente ist auf jeden Fall auch unser Friseurbesucht in Portugal. Die Seniorchefin hat nicht nur ihr Mittagessen verschoben, um meinen Mädels die Haare zu schneiden, sondern sie auch total herzlich verabschiedet. Diese Herzlichkeit war einfach unglaublich. Ein weiterer besonderer Moment war die südlichste Spitze Spaniens, dort wo Mittelmeer und Atlantik aufeinandertreffen und Afrika in Sichtweite ist, nur 15 km entfernt. Weitere schöne Momente sind alle die, wo man mit Menschen ins Gespräch kommt. Zu unseren Highlights gehören auch der Besuch meines Papas und die gemeinsame Zeit mit unseren Freunden in Dänemark und Schweden. Für unsere Kinder war auch der Eiffelturm ein großes Highlight. Der brandaktuellste Reisemoment ist: Wir haben tatsächlich einen Elch gesehen!“

Was ist dein bisheriges Fazit?

„Wir besitzen zu viel und rennen durchs Leben. Das mag jetzt vielleicht etwas idealistisch klingen und auch keine neue Erkenntnis sein, aber ich hoffe, dass wir etwas von dieser Zufriedenheit und Entschleunigung in unseren Alltag mitnehmen und bewahren. Diese Reise war jede Mühe, jeden Stress und jede Träne im Vorfeld wert! Außerdem ist es auf Reisen wichtig, nicht zu viel vorab zu planen, sondern sich treiben zu lassen.“

Welche Probleme tauchten auf?

„Alles hat seinen Platz! Vier Menschen und ein Hund mit Bus und Dachzelt - da braucht es ordentlich Disziplin, um alles, was man in die Hand nimmt, wieder an seinen Platz zu legen. Meistens bin ich es, die wieder alles an Ort und Stelle räumt (lachend). Dann rege ich mich kurz auf und dann denke ich wieder: Hör auf dich über diese Kleinigkeiten aufzuregen, du bist fünf Monate mit deinen Liebsten on Tour.“ 

Wie verbringt ihr den Tag?

„Meistens ist kein Tag wie der andere. Nach dem Aufstehen (ohne Wecker), macht einer das Frühstück und einer geht mit dem Hund Gassi. Nach dem Frühstück gehen die Kinder abwaschen und wir erledigen Kleinigkeiten, die anfallen, wie aufräumen, Dachzelt lüften oder wieder abbauen. Danach lernen wir oft ein bisschen mit den Kindern. Am Nachmittag unternehmen wir etwas oder gehen aktuell einfach im See schwimmen. Am Abend spielen wir dann noch was, lesen etwas vor und bringen die Mädels ins Bett. Danach lesen mein Mann und ich selbst noch ein bisschen und tratschen. Oft verbringen wir die Abende mit der weiteren Planung der Reise, zum Beispiel den nächsten Stellplatz suchen, den nächsten Ausflug planen und dergleichen.“

Wie klappt der Familienverbund?

„Natürlich geht man sich hin und wieder auch auf die Nerven, wenn man 24/7 zusammen ist. Aber das ist wohl ganz normal. Wir sind noch näher zusammengerückt und schaffen es in Situationen, wo es wirklich drauf ankommt, zusammenzuhalten. Es ist jedoch nicht immer einfach. Manchmal schnauft man schon auch durch, wenn die Kids im Bett sind - also ähnlich wie zuhause :-)“

Heimweh?

Wir haben vor Kurzem die Kinder gefragt: Auf einer Skala von 1 bis 10 - wie groß ist euer Heimweh (wobei 1 weinig Heimweh und 10 großes Heimweh ist)? Beide haben gesagt, 3. Von daher hält es sich in Grenzen, dennoch freuen wir uns auf Zuhause, denn auch dieses weiß man nach so einer Reise noch viel mehr zu schätzen.“

Was ich gelernt habe?

„Es kommt nicht unbedingt darauf an, welches Land man bereist und welche Sehenswürdigkeiten man sieht, sondern es geht um die Reise an sich. Die Zeit, die man zusammen verbringen kann. Anfangs wollte ich unbedingt bestimmte Dinge sehen, doch dann haben ich begriffen, dass es nicht wichtig ist. Ich habe vor Kurzem ein Zitat gelesen, welches es ganz gut auf den Punkt bringt: Stop beeing a tourist, start beeing a traveller.“ 

Wer nun Melanie Amann-Brandt auf Instagram folgen mag, findet sie unter Chaos_und_kompass.

Text und Interview für Region im Blick: Heike Scheiding Fotos: Melanie Amann-Brandt

Auch interessant:

Anzeige

SERVICEBOT.SOLUTIONS

Frank Scherer Photography

Anzeige