„Meine Geige kann russische Bomben nicht aufhalten“
Kehl. Eine zu Herzen gehende Feierstunde machte die Verleihung des dritten Christa Šerić-Geiger Preises im Kehler Kulturhaus zu einem ganz besonderen Event für rund 150 geladene Gäste. Preisträgerin 2023 ist die gebürtige Ukrainerin Marina Bondas. Die 43jährige ist Berufsmusikerin und zählt zu den ersten Geigen des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Ihre Geige ist zugleich das Instrument, mit dem sie im Rahmen ihrer Initiative „Heart for Ukraine“ seit der Maidan-Bewegung 2014 auf das Leid in ihrem Heimatland hinweist.

Die Freiburger Journalistin Lisa Böttinger war im Dezember Gast-Jurorin bei der Nominierungssitzung des Christa Šerić-Geiger Preises. Sie erinnerte in ihrer Ansprache an die Stiftungsgeberin und sorgte für betretenes Schweigen: „36 Prozent der Deutschen sagen von sich, dass sie unter einer News-Fatigue leiden. Dass sie die Nachrichten vom Krieg nicht mehr ertragen“. Allerdings seien es Menschen wie Marina Bondas, die wieder hinhören ließen: „Und nur so können wir die Grenzen auflösen“, appellierte Lisa Böttinger. Der Journalistin gelang in ihrer Rede auf wunderbare Art auch der Verweis auf die Gemeinsamkeiten der Preisträgerin und der Stiftungsgeberin: „Christa Šerić-Geiger wollte einst Dolmetscherin werden. Ein Beruf, der auf seine Weise Grenzen sprengt. Genau wie die Musik von Marina Bondas“.
Die Preisträgerin war sichtlich berührt von der Würdigung, die neben einer Skulptur einen Scheck in Höhe von 20.000 Euro ausmacht: „Musik ist mächtig. Sie kann Menschen berühren. Aber auch Musik hat ihre Grenzen. Meine Geige kann russische Bomben nicht aufhalten!“ Als Marina Bondas von ihrer Arbeit für „Heart for Ukraine“ berichtete, wie sie oft 24 Stunde am Stück humanitäre Hilfe vor Ort leistet und häufig im Stillen darunter leidet, wie Kinder, denen sie vor Ort noch ein Lächeln aufs Gesicht zaubern konnte, auf einmal verschollen sind, herrschte im Anschluss zunächst Stille im Publikum, bevor sich dann alle zu stehenden Ovationen erhoben.

Marina Bondas sprach aber nicht nur, sie spielte auch ihr Instrument. Und entführte das Publikum auf eine musikalische Reise durch die Ukraine. Der stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende und Kehler Wirtschaftsprüfer Dr. Michael Strickmann fasste zusammen: „Ich habe die Ruhe gespürt, die die Musik erzeugen kann. Aber ich bin gleichzeitig bewegt durch ihre Schilderung“.
Dass Marina Bondas ein überdurchschnittliches Energielevel hat, bestätigte auch ihr Laudator Andrij Ilin: „Ich lernte Marina Bondas 2014 kennen bei einer Demonstration in Berlin nach der Maidan-Bewegung. Diese zierliche Frau nahm den Kampf auf für die Menschen in der Ukraine. Sie sammelte Geld, spielte ihr Instrument in zerbombten Häusern – um den Menschen Hoffnung zu geben. Sie lernte, wie Musik sich auf Menschen auswirkt und gründete die Organisation >Heart for Ukraine<“.
Der Stiftungsvorsitzende und Witwer der Stiftungsgeberin Fadil Šerić beschloss mit sichtlich glücklichem Gefühl die Veranstaltung und bedankte sich bei Kuratorium und Jury – und vor allen Dingen bei Marina Bondas für deren Energie, mit der sie sich für hilfebedürftige Menschen einsetzt: „Meine Frau wäre stolz auf sie gewesen“, war er sich sicher.
Mit Oleksandra Bienert unterstützt die Carl-Friedrich Geiger Stiftung noch eine weitere Berliner Aktivistin für die Kriegsopfer in der Ukraine mit 5.000 Euro.

Dr. Michael Strickmann, Osanna Miglietti (beide Kuratorium der Carl-Friedrich Geiger Stiftung), Marina Bondas, Fadil Seric (Vorsitzender Carl-Friedrich Geiger Stiftung).
Carl-Friedrich Geiger Stiftung
Die 2006 in Kehl gegründete Carl-Friedrich Geiger Stiftung hat ihre Ursprünge im ehemaligen Autohaus Geiger. Zweck der Stiftung ist die Unterstützung von Wissenschaft, Forschung und Bildung. Sie kümmert sich aber auch um den Tierschutz im Ortenaukreis, um Projekte in Kunst und Kultur und um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Nach dem Tod der Stiftungsgeberin 2019 rief die Stiftung 2020 den Christa Šerić-Geiger Preis aus, der 2021 an die Tübinger Pandemieärztin Dr. Lisa Federle ging und in 2022 an Asifa Ahktar (Freiburg), eine der bedeutendsten Molekularbiologinnen. Die Stiftung unterstützt vielfältige Projekte in der Ortenau und stellte 2022 und 2021 jeweils 100.000 Euro für Großprojekte zur Verfügung: für die Flüchtlingshilfe und zur Digitalisierung der Kehler Schulen.