Der badische Europäer Sebastian Wehrle:
„Das Leben schenkt einem das Motiv“
Ich besuche Sebastian Wehrle in seinem tollen, lichtdurchfluteten, neuen Atelier in Freiamt. „Den“ Sebastian Wehrle, an dem es kaum ein Vorbeikommen gibt. Haben früher eher großartige Maler den Schwarzwald in Szene gesetzt und mit Pinselstrichen portraitiert, so fotografiert der 1984 geborene Wehrle Trachten kombiniert mit Piercings, Nostalgie, Grufti-Look und Tattoos. Diese Fotos haben es in sich, an ihnen kommt man kaum vorbei, es sind jene, aus seiner Serie „Facing Tradition“ traditionell und super-modern zugleich.
Er sei geboren für die Fotografie, sagt Sebastian Wehrle bei einem Kaffee. Diese Leidenschaft hat ihn schon als Neunjährigen gepackt, als sich selbst „selfi-mäßig“ in Tracht fotografierte. Er wuchs im Simonswald, streng katholisch auf, seine Uroma habe sich in Tracht beerdigen lasen, seine Gotti hat ihm eine Kamera geschenkt, wenngleich vor ein paar wenigen Jahrzehnten die Filme noch richtig teuer waren. Die Fotografie, das wissen Sie liebe Leser auch, erlebt durch die Digitalisierung einen Ansturm und ist heute einfacher denn je – zumindest für den Laien.
Sebastian Wehrle:
Mit Oma und Opa wanderte Sebastian durch Südtirol und knipste mit seinem Kleinbild-Fotoapparat. Im Garten daheim experimentierte er auf Teufel komm raus mit einer eingespannten Kamera in Reifen vor einer Schaukel. Auch heute kann man unmissverständlich sagen, dass Wehrle ein technikbegeisterter Fotograf ist. Er probiert und experimentiert ohne Unterlass, besitzt viele Kameras und fotografiert auch liebend gerne analog. Hier entwickelt der Autodidakt selbst. Dass er sich das alles selbst angeeignet hat, das mag man kaum glauben. „Ohne ein Gefühl für das Motiv, ist das Fotografieren schlecht“, betont er. Was über Jahre spielerisch vollzogen wurde – Wehrle machte eine klassische Ausbildung zum Kachelofenbauer, der sich der Meister anschloss – fand die totale Begeisterung mit 25 Jahren. Die Fotografie wurde zum Lebensmittelpunkt, immer hat er die Kamera dabei. „Das beschert mir morgens beim Joggen schon das Foto mit Rehen in der aufgehenden Sonne“, lacht Wehrle. Seine Fotos sind Kunst und haben Kultstatus, da bin ich mir ganz sicher, denn sie ziehen magisch an, man versinkt in den Details und bewundert den „perfekten Moment“, den sich Wehrle zu Eigen gemacht hat. „Das Leben schenkt einem das Motiv“, schmunzelt der so sympathische Schwarzwälder, der übrigens den Beruf des Kachelofenbauers auch echt klasse findet.
Mit Liebe und Herz
Man müsse viel mehr Mut haben – oft einfacher gesagt als getan. Ihm ist es gelungen, er hat gespart, um sich über Wasser zu halten und einfach gemacht. „Wenn man etwas macht, was man liebt und wo das Herz mit dabei ist, dann klappt das auch“, ist er sich sicher. 2014 suchte er die psychologische Freiheit und fuhr mit dem Fahrrad durch die Welt – bis nach Thailand. Über ein Jahr war er auf Reisen, entdeckte für sich mit der Kamera die Welt. „Ich habe über 100.000 Fotos gemacht“, lacht er. Und wieder zurück in Freiamt, stieß Wehrle die Tür zur Selbstständigkeit auf.
Wie es sich manchmal so ergibt, kam Sebastian Wehrle mit „Kosmos Schwarzwald“ und Uwe Baumann in Kontakt. Hier gab es in Lahr eine Ausstellung als Chance für Youngsters bei anderen Künstlern. Und hier kommt dann auch die „Freiämter Hornkappe mit Riesenschleife“ ins Spiel. Wehrle engagierte die mutige Visagistin Ramona, begeisterte Sina als Modell und so entstand der Anfang zu seinen unglaublichen Trachten-Bildern. Sicher ist sich Wehrle, dass er mit seiner Fotografie den Schwarzwald belebt hat, ich stimme ihm zu und denke, er hat ihn modernisiert, in den Fokus gerückt, auch provokant am angestaubten Schwarzwaldidyll geschabt und gekratzt. Dennoch ist sich Wehrle seiner Verantwortung sicher. Alle seine Motive stecken in einer Original-Tracht mit geschichtlichem Hintergrund. Da finden sich das Schäppel aus Simonswald, oder der Iltishut aus Kehl/Hanau, der Bollenhut aus Kirnbach, der Rollenkranz aus Mühlenbach oder der Strohzylinder aus Schönwald und viele, viele mehr.
Drei Aspekte
Jedes Portrait wiederum hat drei geschichtliche Aspekte: die Geschichte der Tracht, die Geschichte des Bildes mit Gesichtsausdruck und allen Details, sowie die Kombination modern und traditionell. Wer nun glaubt, das knipst man mal eben so schnell, der ist auf dem Holzweg. Über eine Woche braucht Wehrle für ein Motiv, das gliedert sich in die handwerkliche und künstlerische Arbeit, braucht Modell und Visagistin, entsprechendes Outfit und die Idee der Umsetzung. Seine Bilder sind Kunstwerke, Kunstwerke mit Herz und Seele – ohne Frage. Inzwischen ist es so, dass Wehrle die Raubkopien und Raubkopierer stören, die die Bilder 1:1 unter der Ladentheke kopieren. „Leute die mir nacheifern, sehe ich eher als Bestätigung in der Wirkung als Fotograf“, sagt er.
Bisher konnte man Wehrles Bilder im Rahmen von rund 30 Ausstellungen bewundern. Seine Trachten-serie, so verspricht er, werde stets erweitert werden, aber eine ganz neue Idee hat sich schon in seinem Kopf manifestiert und wird sicher bald an die Öffentlichkeit getragen werden.
Den Schwarzwald sieht der Fotograf Wehrle als die Landschaft, in dem er seinen spaßigen Stress mit stetig zunehmender Bekanntheit erlebt. Sein Traum: mit dem Bulli und der Kamera durch den Schwarzwald fahren.
Heimat ist für Wehrle: „Heimat ist der Planet, der gerade ein bisschen vor die Hunde geht“. Er selbst sieht sich als „badischen Europäer“, der im Monat 100 Kilometer joggt und mit seiner kleinen Nichte auf dem Luftsofa hüpft. Sebastian Wehrle ist so unglaublich bodenständig, trinkt gerne Kaffee mit Freunden, holt sich seine Ideen aus der Natur und geht gerne in die Sauna.
„Kultur muss sich abgrenzen, es gibt Unterschiede“, betont er abschließend und „ohne Kunst und Kultur wäre das Leben viel langweiliger“. Wer an seinen Werken interessiert ist, hat die Möglichkeit über den Internet-Shop, die Galerie Marx in Offenburg und in der Galerie in Freiamt.
Danke Sebastian Wehrle für die Unkompliziertheit und das so Sympathische.
www.sebastian-wehrle.de
Danke Sebastian Wehrle für die Unkompliziertheit und das so Sympathische.
www.sebastian-wehrle.de